Nach den Wüstenerlebnissen der Rub al Khali in Oman geht es erneut mit BEDU Expeditionen ins Morgenland. Mit dem ICE mache ich mich vom Augsburger Hauptbahnhof auf den Weg zum Flughafen Frankfurt, von wo es mit der Royal Jordan in den Vorderen Orient nach Jordanien geht. Was wäre eine Fahrt im ICE ohne das allzeit geschätzte Eventprogramm der Deutschen Bahn. Dank großzügig eingeplantem Zeitpuffer erreiche ich das Terminal 2 entspannt, um mein Gepäck einzuchecken.
Der Flug selbst verläuft reibungslos und die Gruppe sammelt sich auf dem Weg zum Gepäckband. Während ein Großteil des Reisegepäcks zu unserer Gruppe findet, fehlen drei Gepäckstücke! Auf Nachfragen beim Gepäck-Service erfahren wir, das diese eine separate Sicherheitskontrolle durchlaufen. Anlass sind die Stative samt Kugelkopf bzw. Drei-Wege-Neiger sowie die kleinen Taschen voller Kabel und Ladegeräte. Diese ähneln nach Aussage der Flughafenkontrolle kriegsähnlichem Material…
Mit gut zwei Stunden Verspätung trudeln wir im Hotel in Amman ein und freuen uns auf die nächsten Tage.
…unterwegs auf römischen Spuren
Amman, die Hauptstadt Jordaniens liegt östlich des Jordangrabens, schräg gegenüber Jerusalems. Ihren Ursprung findet die Stadt im biblischen Rabba, verteilt auf den Hügeln des Gilead-Gebirges. Nach der Eroberung durch Alexander den Großen wird die Stadt neu benannt und heißt für ein knappes Jahrtausend Philadelphia. Mit Einzug der Römer blüht die Region auf, worauf heute eine Vielzahl von Ausgrabungen aus römischer Zeit verweisen. Mit dem Mittelalter verfiel die Stadt bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einen Dornröschenschlaf. Aus dem kleinen Dorf erwächst mit den Ereignissen und Flüchtlingsströmen in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die heutige Millionenmetropole – dem heutigen Paris des Vorderen Orients.
Unser Augenmerk gilt nach dem Frühstück den römischen Spuren in Amman sowie in Jerash ca. 40 km nördlich. Nach einem kurzen Zwischenstopp an der König-Abdullah-Moschee erreichen wir das ehemalige römische Theater aus dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Der halbkreisförmige Zuschauerraum mit stattlichen 102 m im Durchmesser bot bereits nach seiner Eröffnung Platz für bis zu 11.000 Besucher. Hier versuchen wir die uns begleitenden Besucher wahlweise bewusst im Motiv zu integrieren, oder sie auch gezielt aus dem Motiv verschwinden zu lassen.
Die Befestigungsanlagen auf dem Zitadellenhügel zählen zum zentralen wie antiken Teil der Stadt, die sich wie auch Rom, einst über sieben Hügel erstreckte. Zwischenzeitlich verteilt sich das Stadtgebiet auf über neunzehn Hügel. Dieses sind von den Aussichtspunkten innerhalb der ehemals schützenden Mauern der Zitadelle teilweise gut zu sehen. Dicht an dicht drängen sich hier die Häuserreihen, die mit unzähligen Treppen verbunden sind. Wehe dem, man vergisst etwas beim Einkaufen auf dem Souk im Tal, hier gilt es dann „mal schnell“ zweihundert zusätzliche Höhenmeter runter wie rauf zu bewältigen.
Nach einer Fahrt durch die Hügellandschaft erreichen wir die Ortschaft Jerash, dem antiken Gerasa. Hier erwartet uns die größte römisches Ausgrabungsstätte Jordaniens. In dem archäologischen Park durchstreifen wir das Hippodrom, Kolonaden, Amphitheater, verschiedene Tempelanlagen und vieles mehr – ein wahres Eldorado. Übrigens hat der österreichische Fotograf Alfred Seiland sich in seinem Bildband „Imperium Romanum Opus Extractum“ ausschließlich römischen Spuren gewidmet. Der Bildband zeigt eine beeindruckende Bilderreise durch das ehemals römische Reich. Erschienen im Hatje Cantz Verlag (ISBN 978-3-7757-3699-2) sowie bei hartmann books (ISBN 978-3-96070-002-9).
Relikte aus der Epoche der Kreuzfahrer
Am dritten Reisetag verlassen wir Amman und machen uns auf den Weg in Richtung Süden nach Kerak. Der Stadt, die heute im Landesinneren Jordaniens liegt, fiel in der Zeit der Kreuzfahrer im Königreich Jerusalem eine bedeutende strategische Rolle zu.
Auf dem Weg nach Kerak passieren wir das Wadi Mujib. Ein beeindruckendes zerklüftetes Trockental das sich aus dem Bergland zwischen Madaba und Kerak (ca. 900 – 1.000 m „über“ dem Meeresspiegel) kommend hinunter in den Jordangraben zum Toten Meer (420 m „unter“ dem Meeresspiegel) erstreckt. Der Tiefblick mag zwar vom diesigen Wetter getrübt werden, doch das mindert keineswegs den imposanten Ausblick. Wenn ich mir vorstelle welche Kräfte hier über die Zeit wirken, um eine solche Schlucht, die gerne an den Grand Canyon erinnert, entstehen zu lassen.
Unser Weg führt uns, nach unzähligen Serpentinen, über die wir wieder die Hochebene des Berglandes erreichen zum Wadi bin Hammad. Dabei passieren wir Städte wie Rabbat-Moab, die bereits zu biblischer Zeit Erwähnung fanden. Die schmale Straße, die uns hinunter ins Wadi führt, erfordert die volle Konzentration unseres Busfahrers! Die Serpentinen müssen weit Außen angefahren werden, da wir ansonsten Gefahr laufen, dass unser Fahrzeug (Toyota Coaster) vor der Hinterachse in der Innenkurve aufsetzt.
Am Ende der befahrbaren Straße, ungefähr auf Höhe des Meeresspiegels angekommen, geht es mit kleiner Kameratasche und Trinkflasche zu Fuß weiter. Die Tour führt uns inmitten des Bachbetts tiefer in den Canyon hinein. Die Bergflanken, mit Farnen und Moosen bewachsen reichen steil empor und werden gelegentlich von filigranen Wasserläufen durchzogen. Während wir nach Motiven Ausschau halten, stoßen wir inmitten des Bachbetts immer wieder auf gut gelaunte Familien samt ihrer Grillutensilien – Wochenendausflug vor dem Ramadan. Ungewohnt für uns Europäer ist die Wassertemperatur, die dank der Thermalquellen so gar nichts mit den „kühl erfrischenden“ Bergbächen der Alpen gemein hat.
Nach unserer Übernachtung in Kerak brechen wir direkt nach dem Frühstück auf. Die Ruine der Kreuzfahrerburg liegt an den Berghängen auf der anderen Seite der heutigen Stadt. Erbaut um 1140 kontrollierte hier das Königreich Jerusalem die Handelswege von Ägypten kommend nach Damaskus und Mekka. Ebenso versuchte das Königreich welches durch die Kreuzfahrer ausgerufen wurde, die alteingesessenen Volksstämme (mehr oder weniger erfolgreich) zu kontrollieren. Wir erkunden ausgiebig das Innere der heutigen Ruine, die nach wie vor das Bergland überthront.
In verschieden Quellen wird berichtet, das die Burg im späten 12. Jahrhundert mehrfach belagert wurde. Unter anderem als dort Hochzeitsfeierlichkeiten stattfanden. Die Belagerer sicherten den Verteidigern zu, dass der Turm, in dem die Feierlichkeiten abgehalten wurden von den kriegerischen Handlungen verschont werden sollen. Jahrzehnte später, während einer erneuten Belagerung heißt es, wurden die Verteidiger gezwungen ihre Frauen und Kinder in die Sklaverei zu verkaufen, um Lebensmittel zu erhalten.
Während unserer Fahrt gen Süden legen wir einen Stopp im Wadi Dana ein. Die kleine Ortschaft am oberen Talrand wird als das „moderne“ Dana benannt. Seine heutigen Grundmauern sind ca. 500 Jahre alt. Auch wenn viele der Häuser eher einem Ruinenfeld als bewohnbaren Häusern gleichen, sind hier verschiedene Baustiele verschiedener Epochen zu entdecken. Überrascht war ich über die Info, dass die erste Besiedelung mit festen Behausungen am oberen Talrand bis zu 4.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung (kurz v.u.Z.) zurückreicht.
Fotografisch braucht es etwas Zeit, bis wir uns zwischen den eingestürzten wie bewohnten Gemäuern Perspektiven und Motive erarbeiten. Der Blick ins Tal, dem Naturreservat oder offiziell als Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN, wahlweise auch als Biosphärenreservat oder als Nationalpark benannt) bezeichnet, fällt da schon um einiges leichter. Hier lassen sich die schroffen Felswände schnell in der späteren Nachmittagssonne in Szene setzten.
Petra die Stadt der Nabatäer
Wadi Musa – eher bekannt als „Petra die Stadt der Nabatäer“! Verständlicher werden die unterschiedlichen Namensbezeichnungen, wenn man weiß, dass das Wadi Musa den heutigen Wohnort oberhalb der antiken Stadt benennt. Und sich die Ortsbezeichnung Petra auf die Ruinen mit ihren monumentalen Grabtempeln in der ehemaligen Hauptstadt der Nabatäer bezieht. Auch wenn die Stadt ihre Blütezeit im dritten Jahrhundert v.u.Z. durchlebte, ihre imposanten wie beeindruckenden Bauten überdauern die Zeit und stehen seit 1985 unter dem Schutz des UNESCO-Welterbes.
Wir nehmen uns volle zwei Tage Zeit, um einen ungefähren Überblick über die knapp 50 km² große Anlage zu erhalten. Dabei gilt unser Augenmerk natürlich dem Schatzhaus, mit seiner 35 m hohen Fassade. Deren Fragmente wir bereits auf den letzten Metern durch den Siq (=der Schlucht) erblicken, bevor uns die antike Stadt gebührend empfängt.
Insgesamt legen wir während unserer Erkundungen durch die antike Ruinenstadt knapp 40 km Fußmarsch, verteilt auf zwei Tage zurück. Dem entsprechend staubig und verschwitzt freuen wir uns über die komfortable Unterbringung, inkl. Schwimmbad auf der Dachterrasse.
Nach drei Nächten heißt es Abschiednehmen, doch einen letzten Blick auf Wadi Musa und den Eingang zur Ruinenstadt am Siq gönnen wir uns noch, bevor wir in die Wüste aufbrechen.
Wadi Rum – Marslandschaft
Einen ersten Blick auf die Wüstenlandschaft mit ihren Sandsteinbergen eröffnet sich uns auf der Höhe von Ras al Naqab am Rand des Berglandes. Vom Ortsrand reicht der Blick trotz des diesigen Himmels weit in die Ebene, wo sich Sandsteinberge wie Monolithen aus dem Wüstensand emporheben.
Am Visitor Center angekommen, verladen wir unser Reisegepäck auf einen Jeep und Pick-Up mit welchen wir die kommenden Tage im Reservat unterwegs sind. Der Weg führt uns anfangs noch auf einer Asphaltstraße bis Wadi Rum Village, nach der Ortschaft geht es auf Pisten durch den weichen Wüstensand entlang der Sandsteinberge, deren Flanken steil emporragen. Nach ca. 14 Kilometern erreichen wir unser Camp, dass uns im Wadi Rum als Basislager dient.
Das Camp bietet entgegen dem klassischen Wüstentrekking mit Zelt, Isomatte und Schlafsack eine, wenn auch einfache, feste Unterkunft mit (für alle Camp-Gäste zugänglichen) Sanitäreinrichtung sowie einem Gemeinschaftsraum. Dazu kommt in der digitalen Welt ein unabdingbarer Aspekt: wir haben eine Stromversorgung! So lassen sich die Akkus für unsere Kameras jederzeit laden..
Nach einer ersten fußläufigen Erkundungstour erklimmen wir eine kleine Felsformation für den Sonnenuntergang, der uns dann auch mit einer farbenfrohen Wolke zum Abendessen und in die Nacht verabschiedet.
Am frühen Nachmittag unseres ersten Wüstentages, frischt der Wind merklich auf und wir suchen für eine Mittagspause einen windgeschützten Canyon auf. Als wir diesen ausgeruht verlassen empfängt uns in der Ebene eine warme Luftmasse (29 °C) mit Windstärke sieben bis acht. Es dauert nicht lange, bis der Sand, der zwischenzeitlich waagerecht durch die Luft fliegt, sowohl zwischen den Zähnen wie Augenliedern ebenso wie in den Einstellrädern der Kameras knirscht. Auch wenn ich die Hoffnung für die Ballonfahrt nicht aufgeben will, die Wettervorhersage für den folgenden Tag verspricht nichts Gutes…
Wieder im Camp eingetroffen kommt uns eine der kleinen Unterkunftshütten entgegengeflogen – und während wir von den Fahrzeugen absitzen, wird mir klar, dass ich ganz ohne eigenes zu tun, von einer überdachten Unterkunft zu einem Bett mit freiem Blick auf den Sternenhimmel upgegradet wurde. Darüber hinaus soll ich noch zu Hause in meinem Reisegepäck auf ungeahnte Sandvorräte stoßen.
Am Abend erreicht uns die verbindliche Absage der Ballontour, die für den nächsten Morgen geplant war. So nutzen wir die frei gewordenen Stunden für einen erneuten Stopp an der „Filmdüne“ wie sie unsere Guides nennen. Diesmal allerdings mit freier Sicht und ohne knirschenden Sand im Gesicht wie in der Kamera. Von hier aus geht es weiter in den südlichen und touristisch erheblich weniger erschlossenen Teil des Reservats.
Gerne wird der Blick über den roten Wüstensand mit den schroff empor ragenden en Felswänden mit einer Marslandschaft verglichen. Das kommt nicht von ungefähr, da die Landschaft des Wadi Rum dient immer wieder als Filmkulisse. Zum Beispiel für die Wüstenszenen in einer Transformer-Episode oder „Mission to Mars“ sowie „Der Marsianer“ und einige andere.
Zum Flughafen durch den Jordangraben
Der Weg in Richtung Flughafen führt uns durch das Wadi Arab (Arava-Senke) hinunter an die Ufer des Toten Meeres, das mit 420 m „unter“ dem Meeresspiegel gleichzeitig den tiefsten (trockenen) Punkt der Erde markiert. Leider spielt uns das Wetter hier einen kleinen Streich und verhüllt die umliegenden Berge sowie das Tote Meer in dichten Dunst.
Während der Fahrt hänge ich meinen Gedanken nach und tauche ein in verschiedenste Karten, die einen ungefähren Umriss über die Volksstämme und -gruppen der Region vermitteln und auf die einstigen Herrschaftsbereiche verweisen. Ein wahrhaftig bunter Fleckenteppich aus Ethnien, Kulturen und nicht zuletzt Religionen die hier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammengefasst wurden.
Nach den Tagen, die wir im Morgenland verbrachten, heißt es langsam Abschied nehmen. Auf dem Weg zum Flughafen amüsieren wir uns über unsere holprige Gepäckübernahme am Flughafen bei der Einreise und rätseln was uns wohl bei der Ausreise erwartet. Die Realität holt uns jedoch schneller ein als gedacht! Der kleine Blasbalg, der uns unterwegs hilfreiche Dienste zur Objektivreinigung leistete, hat nach dem Verständnis der Flughafenkontrollen Ähnlichkeit mit einer Handgranate! Kurz um, jeder einzelne Blasebalg wurde konfiszierte und der fachgerechten Entsorgung zugeführt.
Nach einem ruhigen Flug setzt die Maschine zur Landung in Frankfurt an, wo wir uns nach elf Tagen herzlich verabschieden und jeder seines Weges die letzte Etappe der Heimriese antritt. Mein Weg führt mich mit dem ICE zum Hauptbahnhof Augsburg – glücklicherweise ohne zusätzliches Eventprogramm der DB…